Selbstorganisation per Holokratie als Wachstumsfaktor im Systemhaus

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Vielen Dank an Christian Meyer, den Geschäftsführer der straight solutions GmbH, für das sehr spannende Gespräch zu seinem Herzensthema Selbstorganisation und den gemachten Erfahrungen in seinem Unternehmen.

Hier einige Links, wenn Ihr mehr über Christian wissen möchtet:

Christian auf LinkedIn

straight solutions auf LinkedIn

straight solutions Webseite

 


Olaf Kaiser: Was hat dich dazu geführt, auf eine starke Selbstorganisation als Organisationsform zu setzen?

Christian Meyer: Also gestartet sind wir mit der Fragestellung in 2017, als wir damals mit elf Mitarbeitenden eine Agenda 2025 erarbeitet haben und dort für uns Ziele definierten. Und es war für mich als geschäftsführender Gesellschafter, der ganz viele Rollen hatte, damals hieß es Aufgaben und Verantwortlichkeiten, klar, dass es mit elf Mitarbeitern noch gerade so geht, aber auch dort habe ich mitbekommen, es wird schwieriger und jeder sagt, es braucht Strukturen und es braucht Hierarchie und es braucht irgendwie Abteilungen und Teamleiter und was nicht alles. Und ich bin eigentlich per Zufall 2019 in einem Workshop zu agilen Arbeiten bei Microsoft mit anderen Unternehmern in einem Raum gewesen, die da schon viel weiter gewesen sind und sich Gedanken zu gemacht haben. Und das hat mich total fasziniert. Bis dato wusste ich gar nicht, dass es was anderes gibt als hierarchisch aufgebaute Organisation.

Und interessanterweise waren es die Unternehmen und Menschen, die ich schon vorher interessant fand und die auch erfolgreich waren. Und es scheint auch zu funktionieren, dass man unternehmerischen Erfolg hat und Menschen um sich herum schart, die zu dir in dein Werteverhältnis gepasst haben. Und dann hatte mich die Selbstorganisation gefangen und ich habe mich dann intensiv eingelesen und beschäftigt, mit ganz vielen Menschen unterhalten. Und dann habe ich alles in die Tonne geschmissen, was ich mir vorher überlegt hatte in meiner Agenda 2025, was Struktur und Organisation angeht, und habe es einfach neu gedacht bzw. mich auf dem Weg darauf eingelassen.

 

Du hast dich ja für ein Basismodell entschieden, das dann auf straight solutions hin adaptiert wurde. Was waren Deine Entscheidungsparameter, dass das Basismodell Holokratie bei dir im Unternehmen geworden ist?

Selbstorganisation hatte für mich die Aspekte, dass es eine gewisse Flexibilität und Resilienz hat, die in unserem Markt wichtig ist, also diese Wandlungsfähigkeit und sich einfach auch auf Neues einzulassen, ohne zu wissen, was es genau bedeutet und das alles durchzudeklinieren. Und das zweite ist, dass Selbstorganisation eine hohe Partizipation für die Menschen bedeutet. Und ich habe mich immer so wahrgenommen und das ist auch immer noch heute so, dass ich immer der Engpass bin und der Flaschenhals. Diese verteilte Verantwortlichkeit ist ja ein Aspekt der Selbstorganisation, dass schneller Entscheidungen getroffen werden können, weil einfach aus diesen einzelnen Rollen und der Verantwortlichkeit viel schneller viel bessere Entscheidungen getroffen werden, als wenn man irgendwie das von unten nach oben, von oben nach unten versucht durchzudeklinieren.

Und der dritte Aspekt ist es ist sinnstiftend. Es ermöglicht Identifikation für jeden Einzelnen der Organisation und Gestaltungsmöglichkeit. Und das hat das irgendwie für Selbstorganisation, für mich so vereint. Und mein erstes Buch, was ich gelesen habe, war „Selbstorganisation braucht Führung“. Und es braucht dort auch Strukturen, es braucht dort auch eine Hierarchie, aber es ist einfach anders.

Jetzt kennen vermutlich nicht alle genau das Modell der Holokratie. Bitte beschreibe einmal die Grundprinzipien und das Modell an sich.

Brian Robertson kommt aus der Softwareentwicklung und hat sich überlegt irgendwie müssen wir was anderes machen und hat dann die die Holokratie gegründet und ein Betriebssystem darum herum entwickelt. Das Ganze ist Open Source, wird weiterentwickelt und steht auch der Community zur Verfügung. Und was macht es aus? Es geht um Transparenz. Es geht um Partizipation und Beteiligung. Es geht um verteilte Verantwortung. Und es geht um Rollen, die man ausfüllt. Also im Vergleich zu einer klassischen Hierarchie, wo man irgendwelche Positionen hat und Stellenprofile, dann wird das dort in Rollen definiert. Aber sehr klar, so dass jeder weiß, wer ist für was verantwortlich. Und ein großer Unterschied ist, dass man sehr stark Entscheidungen, die im Steuerungsraum sind, sprich die in der Governance wirken, und Entscheidungen aus dem operativen Raum, also das tägliche Arbeiten, trennt. Das Ziel ist, schnell zu Entscheidungen zu kommen und dabei nicht nach dem Konsens, sondern nach dem Konsent zu fragen. Also es werden Einwände abgefragt und es wird keine Zustimmung gewünscht. Mit den Prinzipien ist es möglich, sehr schnell Veränderungen in einer Organisation herbeizuführen und somit schnell zu sein, agil zu sein.

 

Bedeutet Eure Umsetzung all dieser Prinzipien und Leitlinien, dass eine formal definierte Führungsrolle jenseits deiner Position als Geschäftsführer nicht in den anderen Rollen enthalten ist? Bei den 23 Mitarbeitenden der Straight Solutions haben alle Rollen, aber es gibt keine Teamleiter?

Das ist korrekt. Wir sind auch aktuell alle noch in einem großen Kreis. Es ist eine Kreisstruktur und die Idee ist auch, dass sich das jetzt weiterentwickelt in Unterkreise. Und es gibt natürlich Instrumente der Führung, sonst würde es auch gar nicht funktionieren. Wir haben die ganzen Erfordernisse vertraglicher Regularien, die eingehalten werden müssen. Natürlich müssen dort dann auch Dinge entschieden werden, und es muss eine Führung stattfinden, auch für Mitarbeitende. Aber das passiert aus einem Wollen heraus und es ist einfach in Rollen verteilten Aufgaben und es können auch andere die Rollen übernehmen. Und das ist die Idee, eigentlich das, was es braucht, dass eine Organisation funktioniert. In Rollen abzubilden und nicht in Gefühlen. Im Zweifel macht es der Geschäftsführer, sondern es wird explizit gemacht: Wer ist für etwas verantwortlich, der Geschäftsführer oder die Rolle?

Führung im herkömmlichen Sinne von oben nach unten gibt es nicht mehr, sondern es wird eigentlich von unten nach oben und aus der Rolle heraus geführt. Und wenn jemand eine Verantwortung hat für einen bestimmten Bereich, dann ist auch seine Aufgabe, die anderen Rollen zu führen, wenn es eine Notwendigkeit dafür gibt. Also jeder führt, und das ist ja sowieso ein Wandel in der Welt, die Selbstführung, die Selbstverantwortung, die wir aber auch in unserem Betriebssystem dann festgeschrieben haben.

 

Jetzt haben wir den Januar und wir stehen am Jahresanfang und viele Unternehmen, sind im Prozess, sich zu überlegen, was wollen wir in diesem Jahr 2023 erreichen. Wie entstehen bei Euch Ziele und wer hat Verantwortung dafür, dass sie bestmöglich erreicht werden?

Das ist eine total spannende Frage. Und wir haben Ziele für 2023. Um das mal vorwegzunehmen. Und haben die schon im September alle gemeinsam in einem Workshop für uns erarbeitet. Sie kommen aus dem Unternehmen. Es ist jetzt nicht so, dass ich mich da hingestellt habe, sondern jeder konnte sich einbringen. Und wir haben jetzt drei Ziele für 2023. Ein Ziel hat mit Wirksamkeit zu tun. Das andere Ziel hat mit vorausschauender Planung zu tun. Und das dritte Ziel hat damit zu tun, dass wir selbst auch unsere eigene Infrastruktur so aufstellen wollen, dass sie auch agil ist. Wir als IT Unternehmen haben uns auch in 2023 um unsere Kunden gekümmert, um die vielen Projekte und Themen und uns ein bisschen vernachlässigt. Und das war dann auch ein Anliegen von den Mitarbeitern zu sagen. Wir haben da ein paar Baustellen, die wollen wir jetzt auch angehen und das ist unser Ziel, um weiter zu kommen.

 

Schauen wir einmal zum Recruiting. Wie überprüft ihr, ob jemand zu Eurer Form der Sebstorganisation und der damit einhergehenden Verantwortung passt?

Da hilft uns auch das Prinzip der Transparenz. Wir versuchen im Bewerbungsprozess von Anfang an sehr transparent darzustellen, wer wir sind und wie wir arbeiten. Und ich stelle die Hypothese in den Raum: Der Bewerber entscheidet in dem Moment, ob er das will oder ob er das nicht will. Wir müssen das gar nicht entscheiden, ob er dazu passt, sondern da entscheidet sich der Bewerber. Zumal wir Bewerbungen genau aus diesem Grund bekommen, weil Menschen hören, dass wir selbstorganisiert arbeiten und das in irgendeiner Weise auch erfolgreich tun. Und die Menschen, die das anzieht, die wirklich bewusst auf uns zugehen, die haben schon eine klare Vorstellung, was Selbstorganisation bedeutet. Und ich habe jetzt mehrmals auch Menschen kennengelernt, die einmal diese Luft geschnuppert haben und in Organisationen gearbeitet haben, die auf Holokratie Basis organisiert waren und auf Selbstorganisation und die für sich gesagt haben Ich will nirgendwo anders mehr arbeiten.

 

Hast du bei den Mitarbeitenden, die diesen Weg mit euch gegangen sind, schon mal so etwas wie das Vermissen von formalen Karrieremöglichkeiten festgestellt?

Bisher noch nicht. Die relevante Frage ist: Was verbinden die Menschen mit Positionen wie Teamleiter, mit Macht? In unserer Gesellschaft wird das folgende oftmals verbunden. Verantwortung hast du mit Mitarbeitenden. Verantwortung hast du mit Budget. Und das brauchst du, um weiterzukommen und mehr Geld zu verdienen. Das ist so der typische Karriereweg. Und natürlich wollen gerade junge Menschen irgendwann auch Geld verdienen. Wenn man aber mal eine Ebene tiefer schaut, was für ein Bedürfnis steckt eigentlich dahinter bei den einzelnen Menschen? Dann wird es spannend, weil oftmals ist es gar nicht das Geld, weil Geld auch nur eine Strategie ist, um sich irgendwelche Bedürfnisse zu erfüllen. Und auch Mitarbeiterführung ist oftmals nur eine Strategie, um sich ein Bedürfnis von zum Beispiel Wirksamkeit zu erfüllen oder Weiterentwicklung. Und das hat man halt so gelernt. Es wurde antrainiert und Holokratie bietet per se alle Weiterentwicklungsmöglichkeiten, die sich jeder wünscht, weil jeder kann das ja für sich entscheiden und kann sich für sich weiterentwickeln, indem er Verantwortung übernimmt aus einer Rolle heraus, indem man eine neue Rolle einbringt, in dem er vielleicht ein neues Produkt einfach einbringt.

Und ich sage auch einem Bewerber, da das Thema Geld ja immer gefragt wird. Jeder darf so viel verdienen, wie er will, es darf nur nichts kosten. Es ist total einfach und das entscheidet mehr oder minder jeder selbst, indem er sagt: Was ist mein Nutzen, was ist mein Beitrag zum Unternehmenserfolg.

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